Jubiläum unter dem Dach des Bürgerspitals

Frau Noffz, was hat es mit einer Treuhandstiftung auf sich? Welche Bedeutung hat „Vida Digna" für eine so große und geschichtsträchtige Stiftung wie das Bürgerspital?
Eine Treuhandstiftung ist eine unselbständige, nichtrechtsfähige Stiftung, die durch einen Vertrag zwischen Stifter und Treuhänder errichtet wird.
Vor 11 Jahren kam das Ehepaar Jäger-Herleth mit der Idee einer Stiftungsgründung unter dem Dach des Bürgerspitals auf uns zu. Stiftungszweck sollte sein, hilfsbedürftigen älteren Menschen Unterstützung anzubieten.
Die Stiftung Bürgerspital selber wurde vor mehr als 700 Jahren zum Wohle bedürftiger Menschen gegründet. Darum fiel die Entscheidung nicht schwer die Vida Digna treuhänderisch aufzunehmen und neben der Verwaltung auch bei der Umsetzung des Stiftungsgedankens des Stifterehepaars mitzuwirken.

Frau Jäger-Herleth, welches Anliegen verfolgen Sie mit Ihrer Treuhandstiftung und welche Akzente konnten Sie in den vergangenen zehn Jahren setzen?
Das Bürgerspital widmet sich bis heute der professionellen Pflege alter Menschen. Wir möchten einen Beitrag leisten, um hilfsbedürftige Menschen in dessen Senioreneinrichtungen zu unterstützen. Im Fokus unserer Bemühungen stehen insbesondere Personen, die keine Angehörigen oder ihnen nahestehende Personen haben und/oder nur über nur geringe finanzielle Mittel verfügen. Leider ist das Risiko von Armut und Einsamkeit im Alter in den letzten Jahren spürbar angestiegen. Das bedeutet, dass auch der Unterstützungsbedarf weiter zugenommen hat.   

Uns erreichen Anfragen bei denen es um individuelle, persönliche Bedürfnisse geht, wobei es Betroffenen oft schwerfällt, über diese Schwierigkeiten zu sprechen. In der Regel kontaktiert uns das Pflegepersonal und wir suchen gemeinsam nach einer Lösung für das jeweilige Anliegen.

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Bemühungen sind kulturelle Angebote, die allen Bewohnerinnen und Bewohnern einer Pflegeeinrichtung offenstehen. Damit erreichen wir Großgruppen und ermöglichen stark pflegebedürftigen Menschen die Teilnahme an Veranstaltungen, die für sie aufgrund ihrer Einschränkungen nicht möglich wären. Dadurch kommt gleichzeitig Abwechslung und Freude in den Heimalltag.

Dass die personelle Situation in der Pflege mehr als angespannt ist, ist inzwischen hinreichend bekannt. Wir schätzen die enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Pflegeteams vor Ort, die unsere Aktivitäten erst ermöglicht. Die grundsätzlichen personellen Probleme können wir leider nicht lösen, aber wir wissen beispielsweise, dass der Umgang mit Schwerstkranken für das Pflegepersonal eine besondere Herausforderung ist. Für einige Mitarbeiterinnen konnten wir in den letzten Jahren eine Palliativ-Care-Zusatzausbildung finanzieren, was große Bereitschaft und Interesse gefunden hat.    

Frau Noffz, inwieweit haben sich die aktuellen Krisen in Ihrer Arbeit niedergeschlagen?
Auch wenn die Coronapandemie heute nicht mehr als „aktuelle“ Krise gilt, hat diese Zeit eine weitere massive Verschärfung unserer Arbeitsbedingungen in der Pflege herbeigeführt. Der Fachkräftemangel hat sich seitdem extrem verschärft. Das bedeutet, dass wir, wie auch alle anderen Träger von Pflegeeinrichtungen, Kliniken, Einrichtungen der Behindertenhilfe usw. bei weitem nicht mehr allen hilfsbedürftigen Menschen helfen können.
Dazu kommen die enorm gestiegenen Kosten in allen Bereichen. Der Krieg gegen die Ukraine und in der Folge die Energiekrise hat ja nicht nur dazu geführt, dass ausschließlich die Kosten für Gas und Strom gestiegen sind, sondern wir haben überall gestiegene Preise. Wir können diese Erhöhungen nicht einfach weitergeben, d. h. wir haben durch die geringere Auslastung unserer Häuser wegen des Personalmangels und wegen der Preissteigerungen nun auch weniger finanzielle Spielräume. Gleichzeitig haben wir weiterhin anwachsenden Bürokratismus, wollen gerne die Möglichkeiten der Unterstützung durch Digitalisierung nutzen, die aber auch viel Geld kostet.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass wir eine enorme Arbeitsverdichtung unter erschwerten Bedingungen haben.

Frau Jäger-Herleth, was hat Sie persönlich am meisten berührt in der zehnjährigen Geschichte der Treuhandstiftung?
Ich denke in erster Linie an die persönlichen Begegnungen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern.
2016 starteten wir mit dem Angebot der „Herzenswünsche", zunächst als Pilotprojet im Seniorenheim Hueberspflege. Alle Bewohnerinnen und Bewohner waren zur Teilnahme eingeladen. Was auf den "Wunschzetteln" stand, hat mich teilweise tief berührt. Es waren zumeist Wünsche, die für die meisten von uns selbstverständlich scheinen, wie z.B. ein bunter Blumenstrauß oder ein Eisbecher im Eiscafé.  
Bei kulturellen Veranstaltungen schätze ich die spontanen Rückmeldungen und Kommentare wie: „Das könnt ihr gerne wieder machen!". Das ist für uns die Bestätigung, dass das Angebot angekommen ist.
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass bei aller Ernsthaftigkeit im Umgang mit alten Menschen der Humor ein fester Bestandteil ist und man im Gespräch durchaus die ein oder andere Lebensweisheit mit auf den Weg bekommt.

Frau Noffz, das Bürgerspital trägt Verantwortung für mehrere Stiftungen. Sehen Sie spezielle Herausforderungen in Bezug auf eine Treuhandstiftung?
Gerade im Falle der Vida Digna und insbesondere wegen des Engagements von Frau Jäger-Herleth und Herrn Herleth im Sinne der Stiftung in unseren Einrichtungen für die Bewohner ist es eine Bereicherung, dass die Treuhandstiftung existiert. Sie passt perfekt zur Stiftung Bürgerspital und unserem Ansatz, unsere Bewohnerinnen und Bewohner nicht nur bestmöglich zu versorgen, sondern auch viel spezieller auf Wünsche und Bedürfnisse einzelner eingehen zu können.

Frau Jäger-Herleth, wie blicken Sie auf das Jubiläumsjahr und was wird „Vida Digna" in diesem besonderen Jahr anbieten?
Mit der Corona-Pandemie mussten wir die in diesem Zeitraum geplanten Aktivitäten von heute auf morgen einstellen. Jetzt sind wir erleichtert, dass persönliche Begegnungen wieder ohne Beschränkungen möglich sind und wir spüren den Nachholbedarf. So können im Jubiläumsjahr wieder kulturelle Veranstaltungen in den Pflegeeinrichtungen vor großem Publikum stattfinden. Dabei erfreuen sich Konzerte großer Beliebtheit, denn Musik beschwingt und entspannt.
Im Zeitraum April/Mai 2023 geht das „Korbtheater" mit seinem Direktor Alfred Büttner in den Einrichtungen des Bürgerspitals auf Tournee und „entführt" die Bewohnerinnen und Bewohner in die Welt seiner Stabpuppen.  
Der Höhepunkt der Veranstaltungen wird am 18.06.2023 stattfinden, wenn Vida Digna das 10-jährige Jubiläum in St. Nikolaus/Ehehaltenhaus feiert.
Und nicht zu vergessen:
Wenn Herzenswünsche an uns herangetragen werden, haben wir dafür immer ein offenes Ohr!  
Und sollten zusätzliche Ideen aufkommen, die wir 2023 zeitlich noch nicht umsetzen können, nehmen wir sie auf jeden Fall mit in das kommende Jahr!

Frau Noffz, wenn Sie zehn Jahre vorausschauen – wo sehen Sie „Vida Digna"?  
Sie ist gewachsen und leistet einen immer wertvolleren Beitrag für die Senioreneinrichtungen. Der Stiftungsgedanke der Vida Digna wird über die Jahre immer bekannter und wird Vorbild für weitere.
 
Frau Jäger-Herleth, was wünschen Sie sich für die Treuhandstiftung?
Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Bürgerspitals ist sehr offen und vertrauensvoll. Ich wünsche mir eine Fortsetzung dieser bewährten Form. Dann sind wir auf einem guten Weg und können in unserem direkten Umfeld die Welt ein wenig positiv verändern. Wenn wir das auch weiterhin schaffen, haben wir viel erreicht.